Erik Höhne, CEO von ENERVIE, hat ein einzigartiges Konzept, um den Herausforderungen in der Versorgungswirtschaft zu begegnen. Neben Digitalisierung, Transparenz, und kontinuierlicher Prozessverbesserung setzt Höhne auf zwei Studenten.
Der unabhängige Energiedienstleister, ENERVIE, versorgt 400.000 Kunden und Energiehandelspartner in Nordrhein-Westfalen mit Strom, Gas, Wärme und Trinkwasser. In den vergangenen drei Jahren hat das Unternehmen einen steten Wandel durchlaufen.
Höhnes Vision für die Transformation von ENERVIE wurde durch Krisen noch weiter bestärkt. Zunächst musste ENERVIE die COVID-19-Pandemie überstehen. Um Umsatzeinbrüche zu bewältigen und die Mitarbeiter zu schützen, hat sich das Unternehmen umorganisiert. Zusätzlich beeinträchtigten extreme Wetterereignisse den Betrieb. Nachdem das Unternehmen die Pandemie überwunden hatte, trieb der Krieg in der Ukraine die Energiepreise in die Höhe. Gleichzeitig sieht sich der Energiesektor in Deutschland und Europa mit regulatorischen Änderungen konfrontiert. Dazu kommt noch die langfristige Herausforderung für die Energiewirtschaft durch Klimawandel und den Weg zur Nachhaltigkeit.
„Die Energiewirtschaft in Deutschland, Europa und wohl auch weltweit befindet sich in einem extremen Wandel“, sagte Höhne. „Die typischen Prozesse in der Energiewirtschaft sind so komplex geworden, dass wir sie nur noch durch Digitalisierung lösen können.“
Tatsächlich mussten im Zuge der Umstellung des Energienetzes von einem zentralen auf ein dezentrales Modell die Prozesse von der Abrechnung über Meter-to-Cash bis hin zu den Kundenbeziehungen neugestaltet werden. „Die Komplexität hat in den letzten Jahren enorm zugenommen und um die Prozesse im Griff zu behalten, braucht es eine entsprechende Transparenz“, so Höhne. „Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass wenn ein Rad klemmt oder man an einem Rädchen dreht, dann dreht sich ganz hinten im Prozess etwas anderes. Deshalb ist Transparenz extrem wichtig.“
Max Aberman und Jannis Nacke, zwei Studenten der Fachhochschule Südwestfalen, starteten im September 2020 ein Praktikum bei ENERVIE. Ihre Aufgabe war es, ein Pilot-Projekt für die ENERVIE Einkaufsabteilung zu erstellen, mit dem Ziel, Prozesse und Transparenz zu verbessern.
„Für uns beide begann das Ganze quasi als Bachelorarbeit. ENERVIE entschied sich für ein Pilotprojekt mit Celonis im Bereich Einkauf und Rechnungswesen“, so Aberman. „Dabei wurden wir zwei Studenten als Technologieexperten ausgewählt. Wir wussten bis dahin nicht viel über Celonis, aber wir haben es während des Projekts innerhalb des Celonis Learning Environment kennengelernt und einfach ein paar Dinge ausprobiert und getestet.“
Dass Höhnes Transformationsbestrebungen mit zwei Studenten begannen, macht deutlich, dass der CEO bei Bedarf bereit ist, einiges zu riskieren. „Am Anfang stand die Idee, Abschlussarbeiten einen praktischen Bezug zu geben, aber wir haben schnell gemerkt, dass das Potenzial viel größer ist“, sagt Höhne.
„Irgendwann braucht man einfach Expertise von außen. In diesem Fall war wahrscheinlich weniger das Fachwissen wichtig, sondern eher ein bisschen frischer Wind durch junge Studenten“, sagt Nacke.
Aberman und Nacke präsentierten die Ergebnisse des Celonis-Pilotprojekts für den Einkauf dem Abteilungsleiter. Die Prozesstransparenz über mehrere Systeme wie SAP und Oracle hinweg war ein Riesenerfolg, so Aberman und Nacke. Der nächste logische Schritt war nun, auf Grundlage der gewonnen Transparenz Werte freizusetzen.
Nacke sagte, die Herausforderung bei der Wertschöpfung lag in der Nutzung von Process Mining ohne zusätzliches Budget für die Einkaufsabteilung. Im Oktober 2020 startete das Duo mit der Celonis Plattform. „Der Aha-Moment kam, als wir auf Grundlage der Transparenz einige Automatisierungen erstellten, um den Arbeitsalltag unserer Kollegen effizienter zu gestalten“, so Nacke.
Konkret sagte Nacke, dass Action Flows verwendet wurden, um Mitarbeiter im Einkauf zu benachrichtigen, wenn Verträge ausliefen und erneuert werden mussten. Bislang mussten die Mitarbeiter diese Verträge suchen um darauf zu reagieren. Aberman ergänzte, dass die Mitarbeiter im Einkauf jetzt 25 % weniger Zeit für die Bearbeitung von Verträgen benötigen.
Aberman und Nacke wurden im April 2021 fest bei ENERVIE angestellt. Heute sind sie Process-Mining-Experten bei ENERVIE und leiten das Kompetenzzentrum Digitalisierung des Unternehmens.
Während Nacke und Aberman an dem Projekt für den Einkauf arbeiteten, haben sie gleichzeitig die Kreditorenbuchhaltung und die Meter-to-Cash-Prozesse verbessert - das Rückgrat des Versorgungsunternehmens.
Laut Nacke wurde der Prozess durch eine SAP-Migration und ein neues Abrechnungssystem für das Stromnetz von ENERVIE erschwert. Die Zahl der Klärungsfälle schnellte in die Höhe.
„Viele Klärungsfälle haben letztendlich Rechnungen blockiert, und die Probleme wurden mit der Zeit immer größer", so Aberman. „Wenn man einem Kunden im Jahr 2020 keine Rechnung stellt, kann man auch 2021, 2022 oder 2023 keine Rechnung stellen. Der Stapel wächst also immer weiter, solange man das Problem nicht an der Wurzel packt.“
Nacke und Aberman nutzen Celonis, um den Prozess zu analysieren und die Klärungsfälle zu reduzieren. Mit der Zeit konnte ENERVIE die Anzahl der Klärungsfälle um 90% reduzieren.
„Es wird nie gelingen, alle Klärungsfälle sozusagen automatisch zu lösen, aber man kann die Anzahl der Klärungsfälle sehr deutlich reduzieren“, so Höhne.
Als das Unternehmen sah, welche Werte im Meter-to-Cash-Prozess, der vom Celonis-Partner Processand implementiert wurde, realisiert werden konnten, wuchs die Pipeline für Process-Mining-Projekte rasant an. Nacke und Aberman starteten mit der Arbeit in der Debitorenbuchhaltung sowie mit einem Projekt in der Controlling-Abteilung.
Seit Juni 2022 war klar, dass ENERVIE ein zentrales Process-Mining-Projekt auf die Beine stellen muss.
„Wir haben auf technischer Ebene ein Maß an Komplexität erreicht, das eine effizientere Lösung für die Verwaltung der gesamten Organisation und auch für die neu hinzukommenden Kollegen erforderlich macht“, sagte Nacke. „Wir haben uns entschieden, ein zentrales Kompetenzzentrum - ein Center of Excellence - und Hubs in den Abteilungen einzurichten, in denen Kollegen sitzen, die sich gezielt auf einen bestimmten Prozess konzentrieren. Dadurch schaffen wir im Center of Excellence die strategische Perspektive, aber auch die technische Gesamtperspektive.“
Aberman sagte, das Center of Excellence (CoE) habe sich organisch entwickelt. Für die Skalierung musste ENERVIE eine Struktur schaffen, um mit den Abteilungen zu kommunizieren. Aberman und Nacke kannten Best-Practice-Beispiele für das Center of Excellence von verschiedenen Celonis-Veranstaltungen.
Das CoE hat ENERVIE dabei geholfen, Process Mining zu skalieren, während sich die Vorschriften weiterentwickeln. Beispielsweise bei der Energiepreisbremse, als Deutschland die Preise für Strom, Gas und Wärme pro Kilowattstunde gedeckelt hat. ENERVIE muss seine Anlagen entsprechend der Energiepreisentwicklung anpassen. Darüber hinaus wird auch der Staat in den Abrechnungsprozess einbezogen.
In Zukunft wollen Aberman und Nacke Process Mining und das Celonis auf das gesamte Unternehmen ausweiten. „Noch ist es ein langer Weg, aber ich denke, wir machen gute Fortschritte“, sagte Nacke.
Höhne sagte, es sei eine Freude zu sehen, wie sich Prozess-Exzellenz als Graswurzelbewegung entwickelt. „Innerhalb des Unternehmens haben wir jetzt erkannt, dass Celonis ein Tool ist, mit dem man Prozesse einfacher gestalten kann, vielleicht aber auch, mit dem man Probleme effektiv lösen kann,“ sagte er. „Es ist eine sehr positive Erkenntnis für uns, für die gesamte Organisation, dass dies tatsächlich von vornherein als ein Lösungssystem verstanden wird und es nicht heißt 'ach nee, jetzt müssen wir ein neues System einführen', wie wir es in der Vergangenheit häufig gesehen haben.“
Katharina Laumann hat zu diesem Kundenbericht beigetragen.