Es ist ein besonderer Tag. Sie haben einen Tisch in einem schicken neuen Restaurant in der Stadt reserviert und Freunde, die Ihnen wichtig sind, eingeladen, mit Ihnen zu feiern. Zunächst sieht alles sehr gut aus. Der Restaurantchef begrüßt Sie und führt Sie zu einem großen Tisch. Sie bestellen die Getränke und studieren die Speisekarte.
Aber kaum haben Sie das Essen bestellt, läuft alles schief. Einige Vorspeisen werden sofort serviert, andere gar nicht. Einige Gäste bekommen die bestellten Getränke, andere bekommen nichts oder ein Getränk, das sie nicht bestellt haben. Einigen wird sogar statt der Vorspeise gleich der Hauptgang serviert.
Doch damit nicht genug: Als Sie zur Feier des Tages mehrere Flaschen Champagner bestellen möchten, teilt man Ihnen mit, dass Ihr Kreditlimit erreicht ist und Sie vor einer weiteren Bestellung zunächst die Rechnung begleichen müssen. Das bringt das Fass zum Überlaufen.
Sie handeln mit dem verlegenen Restaurantchef einen großen Preisnachlass aus und machen sich mit Ihren Gästen auf die Suche nach einem gastfreundlicheren Restaurant. Unterwegs loggen Sie sich bei Yelp ein und geben dem Restaurant eine miserable Bewertung.
Selbst ein Blinder kann sehen, dass dies ein schlecht geführtes, ineffizientes Restaurant ist. Vermutlich ist jedoch vielen potenziellen Gästen nicht bewusst, dass ähnliche, wenn auch weniger krasse Unzulänglichkeiten auch in ihrem eigenen Unternehmen anzutreffen sind.
Eine Geschäftstransaktion folgt einem einfachen Konzept: Ein Partner liefert ein gewünschtes Produkt oder eine gewünschte Dienstleistung und der andere Partner erbringt dafür eine entsprechende Gegenleistung. Die Schritte zwischen der Erteilung eines Auftrags und dem Zahlungseingang werden als Order-to-Cash oder kurz O2C bezeichnet. Störungen des Geschäftsbetriebs, die außerhalb der Kontrolle des Unternehmens liegen, gibt es immer wieder. Warum aber lassen Unternehmen sich auch von Problemen behindern, die innerhalb ihrer Kontrolle liegen?
In dieser dreiteiligen Reihe nehmen wir drei generelle Probleme des O2C-Prozesses unter die Lupe und untersuchen, was sich dagegen unternehmen lässt. Den Anfang macht die Liefertreue, englisch „On-time Delivery“ (OTD).
Es versteht sich von selbst, dass die Kunden eine pünktliche Lieferung von Waren und Dienstleistungen erwarten. Welche Probleme mit einer verspäteten Lieferung verbunden sind, liegt auf der Hand. In einigen, wenn auch seltenen Fällen, kann aber auch eine vorzeitige Lieferung problematisch sein. Der Idealfall ist die Lieferung von Waren und Dienstleistungen genau zu dem vom Kunden gewünschten Termin.
Nicht nur verspätete, auch verfrühte Lieferung stellt für viele Kunden ein Problem dar.
Unternehmen müssen die Liefertreue stets genau im Blick haben. Sie ist nicht nur wesentlich für die Kundenzufriedenheit, bei verspäteter Lieferung wird häufig auch eine Vertragsstrafe fällig. In manchen Fällen geben Kunden die Kosten für Verluste, die ihnen aufgrund einer verspäteten Lieferung entstehen, an Sie weiter. Eine verspätete Lieferung kann durchaus ein negatives Licht auf Ihr Unternehmen werfen, und bei einer generell mangelhaften Liefertreue sind Ihnen Beschwerden des Kunden und eine schlechte Beurteilung gewiss.
Wenn verspätete Lieferungen vorkommen, deutet dies in der Regel darauf hin, dass an anderer Stelle im Unternehmen betriebliche Probleme vorliegen. Das kann die Lieferkette sein oder die Prozesse für Auftragsakquise und -ausführung. Ein Beispiel sind Liefersperren.
Eine Vielzahl effizienter Prozesse ist in der Praxis gleichbedeutend mit einem hohen Automatisierungsgrad. (Die Effizienz leidet, wenn manuell eingegriffen werden muss oder ein Prozess nicht automatisiert wird, obwohl eine Automatisierung möglich wäre.) Eventuell werden aber auch automatische Sperren, meist in Form von willkürlichen Auftragslimits und Bonitätsprüfungen, aktiviert.
Kann eine Kunde zum Beispiel Aufträge bis zu einem Wert von einer Million Dollar erteilen, werden Aufträge, die dieses Limit übersteigen, automatisch gesperrt. Auch angesehene Geschäftspartner, die stets pünktlich zahlen, sind davon nicht ausgenommen. Oder ein Unternehmen verlangt bei Neukunden eine Bonitätsprüfung, um Forderungsausfälle zu verhindern. Dies ist durchaus eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme. Andererseits kann aber ein ineffizienter Bonitätsprüfungsprozess so viel Zeit in Anspruch nehmen, dass potenzielle Kunden die Geduld verlieren und sich nach einem anderen Lieferanten umsehen.
Eine weitere häufige Ursache für Liefersperren sind Bestandsprobleme. Dazu kann es kommen, wenn ein Auftrag angenommen wird, ohne zu beachten, dass ein Artikel nicht mehr oder nicht mehr in ausreichender Menge vorrätig ist. Wenn Sie Ihren Bestand (und die Zugänge, mit denen der Bestand aufgebaut und aufrechterhalten wird) effizient überwachen, müssen Sie unzufriedenen Kunden weniger oft telefonisch oder per E-Mail erklären, warum Aufträge verspätet oder gar nicht ausgeführt werden.
Die oben beschriebenen Probleme sind ganz unterschiedlicher Natur und können sehr komplex sein. Dennoch gibt es für alle eine gemeinsame Lösung: Process Mining.
In der Vergangenheit bestand der Best-Practice-Ansatz darin, das Verhalten des Unternehmens rückschauend zu analysieren und herauszufinden, was falsch gelaufen ist oder verbessert werden kann. Aber bei diesem Ansatz sind Ungenauigkeiten vorprogrammiert, denn er ist von der Wahrnehmung der Beteiligten abhängig. Fakt ist, niemand ist in der Lage, die Aktivitäten bei hunderttausenden laufenden Aufträgen gleichzeitig zu verfolgen und zu verstehen - und anschließend genau zu analysieren, was gut funktioniert hat und was nicht.
Die Prozesse beim Process Mining hingegen sind komplett IT-basiert. Sämtliche relevanten Daten einer Organisation werden erfasst und rekonstruiert und mithilfe von Algorithmen auf Trends und Muster hin analysiert. Eine Ursachenanalyse macht deutlich, wie gut die Prozesse im Unternehmen funktionieren.
Ein klarer Überblick über den Unternehmensbetrieb als Prozessreihe gibt Unternehmen die Möglichkeit, mit Gewissheit zu bestimmen, wo Änderungen ansetzen müssen, damit eine möglichst große Wirkung auf die Gesamtperformance und -effizienz erzielt wird. Process Mining liefert Ergebnisse, die die Liefertreue positiv beeinflussen. In jedem kostenfokussierten Unternehmen ist dies ein Vorteil, der alle überzeugt.