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Process Mining für den Einkauf in Bekleidungsunternehmen

Die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie steht momentan vor vielen Herausforderungen. Alleine in den Jahren 2016 und 2017 gerieten sieben deutsche Traditionsunternehmen in die Insolvenz, unter ihnen Basler, Wöhrl und Biba. Anfang des Jahres traf es das Modelabel Gerry Weber, das einen Insolvenzantrag stellte.

Während sich diese Unternehmen in den vergangenen Jahren um den kostenintensiven Ausbau ihres stationären Vertriebsnetzes bemühten, verschob sich der Umsatz in der Textilbranche zunehmend in Richtung Online-Handel. Erfolgreiche Bekleidungsunternehmen wie Puma, Adidas oder Internet-Pure-Player Zalando investierten hingegen in eine erfolgreiche Mehrkanal-Strategie sowie eine individualisierte Kundenansprache und treiben den digitalen Wandel konsequent voran. Denn erfolgreiche Vermarktungsstrategien und Vertriebskonzepte setzen neue Geschäftsprozesse und -modelle voraus. Dabei ist eine effizientere Steuerung und Überwachung der Lieferkette elementar, um Kosten zu senken, Prozesse zu optimieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Neue Rolle des Einkäufers

Der Einkauf in Bekleidungsunternehmen gewinnt an strategischer Bedeutung. In enger Zusammenarbeit mit Design, Produktentwicklung, Merchandise Management und Controlling erweist sich die Wertschöpfungskette zunehmend als zentrale Schnittstelle, um die Lieferkette effizienter zu gestalten und zu koordinieren.

Dabei ist es zentral, die Komplexität der Einkaufsprozesse zu reduzieren sowie eine höhere Transparenz und ein durchgängiges Verständnis über die laufenden Prozesse zu erlangen. Zwar sind operative Einkaufsaktivitäten zum Großteil bereits digital und automatisiert, dennoch durchlaufen Beschaffungsprozesse eine Vielzahl an Verantwortungsbereichen und IT-Systemen.

Laut einer Studie von McKinsey wird eine Systemlandschaft, die den Einkaufsprozess in allen Facetten vollständig abdeckt, als wesentlicher Hoffnungstreiber im Einkauf gesehen. Denn damit gelingt es, die Digitalisierung des Prozessmanagements der Lieferkette weiter voranzutreiben und die Komplexität der Abläufe zu minimieren.

Process Mining als Treiber der Digitalisierung

Die Process-Mining-Technologie ermöglicht eine systemübergreifende Auswertung von Daten in Echtzeit sowie die Visualisierung von Prozessketten. Informationen aus IT-Systemen wie PLM, SCM und ERP werden zusammengeführt, damit erhalten Einkäufer in Bekleidungsunternehmen eine transparente Lösung, um den Einkaufsprozess in seiner Gesamtheit zu analysieren und zu optimieren.

Im Gespräch mit Experten aus der Bekleidungsbranche und dem Process-Mining-Umfeld ließen sich erfolgsversprechende Anwendungspotentiale sowie mögliche Hürden für den Einsatz von Process Mining in der Bekleidungsbranche identifizieren.

Die Befragten gaben dabei die Datenerhebung als größte Herausforderung beim Einsatz der datengetriebenen Prozessanalyse in Bekleidungsunternehmen an. Vor allem kleine und mittelständische Bekleidungsunternehmen besitzen nur selten standardisierte oder historisch gewachsene Systeme, wodurch der Aufwand der Datenmodellierung wesentlich höher eingeschätzt wird. Zudem wird bei der Abwicklung von Einkaufsprozessen in Bekleidungsunternehmen immer noch häufig auf E-Mail und Excel zurückgegriffen, was einer durchgängigen Digitalisierung des Prozessmanagements entgegenwirkt.

Process Mining bewirkt eine ganz neue systemübergreifende Transparenz und kann dabei unterstützen, Potentiale für die Automatisierung zu identifizieren und den operativen Einkauf weiter zu entlasten. Dabei lassen sich Automatisierungsraten und manuelle Änderungen im System über hinterlegte User ermitteln. Dadurch werden Prozesse laut den Interviewteilnehmern nicht nur beschleunigt, sondern auch zuverlässiger in deren Ausführung.

Transparente Überwachung der Lieferkette

Während kleine und mittelständische Bekleidungsunternehmen den Ausbau ihrer IT-Systeme entlang der Lieferkette momentan aktiv vorantreiben, scheinen große Bekleidungsunternehmen bei der Digitalisierung ihrer Einkaufsprozesse bereits einen Schritt weiter zu sein. Neben ERP-Systemen berichteten die Experten vom erfolgreichen Einsatz von Supply-Chain-Management-Tools, um Transaktionsdaten der Lieferanten zwischen Warenausgang und Wareneingang zu erhalten.

Die Überwachung der Einkaufsprozesse entlang der Lieferkette wäre für diese Unternehmen eine vorteilhafte Investition. Denn bislang werden zeitliche Verzögerungen oder anderweitige Abweichungen in den Einkaufsprozessen meist nicht rechtzeitig erkannt, weswegen Entscheidungen häufig als intuitiv und gefühlsgetrieben beschrieben werden. Die Process-Mining-Technologie könnte eine objektive, faktenbasierte Grundlage für den Einkäufer schaffen, um früher und rationaler auf Änderungen der Lieferkette zu reagieren.

Nachhaltige Optimierung der Einkaufsprozesse

Bei den Experteninterviews kam immer wieder der Wunsch nach detaillierten Vergleichen von Warengruppen, Lieferanten oder saisonalen Kollektionen auf, um einen besseren Überblick über die Entwicklung der Bestände, Retouren und Nachbestückungen zu erhalten. Im Gegensatz zu anderen Branchen wird in der Bekleidungsindustrie nicht auftragsbezogen bestellt, sondern Absatzmengen, insbesondere für modische und hochmodische Ware, vorhergesagt.

Aufgrund der Granularität der Produktarten sowie der unterschiedlichen Planungszyklen und Sourcingstrategien ergibt sich oftmals eine schwer durchschaubare Komplexität bei der Beschaffungsplanung, die sich zudem über mehrere Verantwortungsbereiche erstreckt. Process Mining könnte somit einen integralen Beitrag liefern, um Einkaufsprozesse aus der Vogelperspektive zu betrachten und mögliche Ineffizienzen in den Teilprozessen zu erkennen.

Eine nachhaltig verbesserte Gestaltung der Lieferkette würde sich laut den Befragten dadurch ergeben, dass Ineffizienzen nicht nur erkannt, sondern Verbesserungsmaßnahmen auch kontinuierlich gemessen werden können. Die Messung prozessualer Kennzahlen in dieser Art und diesem Ausmaß wurde bisher als fehlend beschrieben. Mit Process Mining lässt sich die Überwachung von Prozesskennzahlen einfach einbinden und zeitnah verfolgen.

Process Mining und die Zukunft des textilen Einkaufs

Process Mining kann einen wichtigen Beitrag für die Zukunft des Einkaufs in der Bekleidungsindustrie leisten. Mit dieser Technologie gelingt es, eine vollständige Prozessperspektive auf die fragmentierte Wertschöpfungskette zu erhalten. Damit überwindet Process Mining einerseits die Grenzen von Business Intelligence (BI) und andererseits die Subjektivität der traditionellen Prozessanalyse.

Da sich Process Mining bereits in vielen anderen Branchen bewährt hat, könnte der Einsatz der Technologie in der Bekleidungsindustrie dazu beitragen, einen Marktsektor zu stärken, der an vielen Fronten mit der digitalen Transformation zu kämpfen hat.

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Maria Brand
Intern Assurance Research & Development bei Ernst & Young

Maria studiert im Master Textile Chain Research und konzentriert sich dabei auf IT-Innovationen in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Nachdem Sie bereits ihre Bachelorarbeit im Rahmen des Studiengangs International Fashion Retail erfolgreich bei Celonis Partner INFOMOTION zum Thema Process Mining absolviert hat, unterstützt Sie das Process-Mining-Team weiterhin als Werkstudentin.

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