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Erfolg in Übersee: Mit diesen Strategien erobern Tech-Firmen den US-Markt

Europäische Tech-Startups mit internationalen Wachstumsplänen legen in der Regel besonderes Augenmerk auf den US-amerikanischen Markt.

Das verwundert kaum–schließlich sind US-Käufer für rund 40 Prozent des globalen Softwareumsatzes verantwortlich. Kaum ein Unternehmen kann sich diesem Potenzial verschließen. In manchen Technologiesparten – darunter auch Unternehmenssoftware – hängt der Erfolg einer Expansion entscheidend davon ab, ob es gelingt, eine Präsenz auf dem nordamerikanischen Markt aufzubauen.

Der Haken dabei: Es ist alles andere als leicht, Käufer auf der anderen Seite des großen Teichs zu finden. Da wären zum einen die beträchtlichen Distanzen, die persönliche Kaufverhandlungen erschweren. Auch die Handelskultur weist große Unterschiede auf, ganz zu schweigen von der harten Konkurrenz seitens einheimischer US-Unternehmen.

Wie lässt sich also der „Sales Code“ für Nordamerika entschlüsseln? Gelungen ist das einem relativ jungen europäischen Unternehmen namens Celonis. Seit seiner Gründung in München im Jahr 2011 analysiert das Unternehmen die digitalen Prozesse seiner Kunden, um ineffiziente Abläufe zu identifizieren und zu transformieren. Mit seiner Unternehmenssoftware erwirtschaftet Celonis jährlich einen Umsatz von rund 100 Millionen US-Dollar. Besonders erfolgreich agiert der Anbieter dabei auf dem US-Markt, wo Uber, Coca-Cola und Exxon Mobile zum Kundenstamm zählen.

Im Gespräch mit Unternehmensgründer Alexander Rinke drehte sich deshalb vieles um die Frage: Was müssen europäische Startups tun, um jenseits des Atlantiks Fuß zu fassen?

Hoher Einsatz

Wie Rinke verrät, wurde bei der Expansion von Celonis auf den US-Markt nichts dem Zufall überlassen – der Vorstoß in unbekanntes Terrain war mit viel harter Arbeit verbunden. „Viele Unternehmen haben Erfolg in Europa, aber investieren nicht genug, um auch Aufträge amerikanischer Kunden an Land zu ziehen. Erfolg stellt sich aber nicht im Vorbeigehen ein. Als wir uns für diesen Weg entschieden, schworen wir uns, keine halben Sachen zu machen“, so Rinke.

Was genau bedeutet das in der Praxis? Laut Rinkes muss jedes Unternehmen, das Zeit, Geld und Energie in die Erschließung eines neuen Marktes steckt, schnell handeln, um das Momentum auf seine Seite zu ziehen. „Wir hatten das Gefühl, dass wir Kunden binnen kürzester Zeit erreichen mussten“, führt Rinke aus.

Also begab sich Celonis auf die Suche nach namhaften Vorzeigekunden, die das Unternehmen mit einem Schlag auf dem Markt etablieren sollten. Rinke führt hier Uber als Beispiel an.

Daraus ergibt sich die Frage: Wie gelangt ein europäischer Player aufs Radar von US-Unternehmen? Wie verschafft man sich auf diesem so hart umkämpften Markt Gehör? Wie Rinke berichtet, verfügte Celonis schon zum damaligen Zeitpunkt über ein weltweites Profil, da europäische Kunden wie ABB die Unternehmenslösung regionsübergreifend einsetzten. Dennoch war der internationale Bekanntheitsgrad begrenzt. Die Herausforderung bestand darin, Kunden mit Sitz in den USA zu gewinnen.

Harvey zu verschenken

„Wir mussten also kreativ werden“, erzählt Rinke. „Zum einen arbeiteten wir mit verschiedenen Partnern zusammen, die uns unterstützten. Zum anderen verfolgten wir eine besonders aggressive Marketingstrategie.“

Auch Guerilla Marketing kam zum Einsatz. „Einmal haben wir eine Harley-Davidson auf einer IT-Konferenz verlost“, erinnert sich Rinke.

Ohne die üblichen Marketing-Basics ging es aber auch nicht. „Wir investierten viel Zeit in die Kaltakquise“, so Rinke. Außerdem wurde ein Wertversprechen formuliert, das auf die speziellen Anforderungen amerikanischer Käufer zugeschnitten war, die nicht selten von denen ihrer europäischen Kollegen abweichen. Gleichzeitig wurde ein komplett neues Pitch Deck entworfen. Der Schlüssel für Erfolg liegt nach Rinkes Ansicht darin, ein grundlegendes Verständnis der Käufermotivation zu entwickeln.

Eine Firmenkultur mit klarer Identität

Genauso unerlässlich war es, Niederlassungen vor Ort aufzubauen und lokale Teams zu bilden. Trotz der Belegschaft in den USA hat Celonis immer Wert darauf gelegt, eine gemeinsame Firmenkultur zu bewahren, die vom Stammsitz des Unternehmens in München aus geprägt wird. Dazu gehören auch globale Belegschaftstreffen in Deutschland. „Dieses Jahr werden uns über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der ganzen Welt in München besuchen“, so Rinke. „Unser Ziel ist es, als einheitliches Unternehmen aufzutreten.“

Das Gespräch mit Rinke führe ich Mitte Oktober auf britischem Boden. Noch ist absolut unklar, unter welchen Voraussetzungen Großbritannien die Europäische Union verlassen könnte, ohne die heimische Wirtschaft in eine Krise zu stürzen und den irischen Friedensprozess zu torpedieren.

Allerdings hat der drohende Brexit auch neue Perspektiven aufgezeigt. Laut denen, die ihn befürworten, würde die Abspaltung von der EU britischen Unternehmen beim weltweiten Handel neue Freiheiten eröffnen. Handelsabkommen stehen dabei auf der Agenda ganz oben, und der Hauptgewinn wäre ein Deal mit den USA. Klar ist aber auch, dass Handelsabkommen allein noch keine Wunder bewirken.

Der Schlüssel, um neue Märkte zu erobern, ist hohes Engagement und ein Verständnis der Bedürfnisse und Motivation der Käufer.

Verfasst von Trevor Clawson

Trevor Clawson ist ein britischer Journalist und Autor. Seit über zehn Jahren schreibt er über Startups, die Tech-Branche und schnell wachsende Unternehmen. Seine journalistische Karriere begann er als Business Editor des europäischen Textnachrichtendiensts von BBC World.

Anschließend fungierte Clawson als Herausgeber der Wirtschaftsmagazine e.Business und PLC Director, bevor er eine Laufbahn als freischaffender Journalist einschlug. Clawson hat drei Bücher veröffentlicht, darunter „Jamie Oliver: Erfolg nach Rezept“, das aus dem Englischen in fünf Sprachen übersetzt wurde. Trevor Clawson auf Twitter: @trevorclawson

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